30 Jahre DUM – Das Interview
Etwa 1000 Texteinsendungen landen jährlich im virtuellen Posteingang der Literaturzeitschrift DUM – Das Ultimative Magazin, die vierteljährlich erscheint und Leser:innen im gesamten deutschsprachigen Raum erreicht. Dieses Jahr feierte die Zeitschrift ihr dreißigjähriges Bestehen.
Margarita Puntigam-Kinstner hat sich mit dem Gründer Wolfgang Kühn über 3 Jahrzehnte DUM unterhalten.
Die Idee zum DUM wurde an einem Freitagmorgen, nämlich am 23. Oktober 1992, in der Bahn geboren. Wie kam es dazu?
Wir waren damals auf dem Weg von nach Wien, ich musste zur Arbeit, Reinhard [Anm. Paschinger] hat in Wien studiert. Am Vortag hatten wir beide ziemlich viel getrunken, deswegen haben wir uns etwa auf der Höhe von Tulln überlegt, was wir gemeinsam tun könnten, außer durch die Lokale zu ziehen. Und so kamen wir auf die Idee, eine Zeitung zu machen. Am Abend haben wir dann noch einen Freund [Anm. Erich Engelbrecht] angerufen, und gleich am nächsten Tag fand dann die konstituierende Sitzung statt, bei der wir beschlossen haben, dass die Nullnummer zu Weihnachten erscheinen soll.
Das habt ihr dann ja auch geschafft. Wie sah das erste DUM aus und wer waren die ersten Leser:innen?
Die erste Ausgabe hatte 32 Seiten in A4-Größe und sah ziemlich dilettantisch aus. Die Fotos und Texte haben wir zusammengestückelt, die Seiten hat uns Reinhards Vater 50 Mal in seinem Büro kopiert. Anschließend haben wir uns in Reinhards Wohnung zusammengesetzt – einfach weil seine die größte war – und die Seiten mit einem Tacker zusammengeheftet. Als wir endlich fertig waren, haben wir uns mit einer Flasche Wodka belohnt.
Unter die Leute gebracht haben wir das DUM dann nach der Christmette in Langenlois, dort haben wir das Heft vor der Kirche als Weihnachtsgeschenk verteilt.
War das allererste DUM schon eine Literaturzeitschrift?
Eigentlich nicht. Ich habe in den ersten Ausgaben meine Kubareise aus dem Jahr 1988 aufgearbeitet und den Text mit Fotos bestückt. Außerdem gab es Rätsel und einige Konzertbesprechungen, ich selbst habe zum Beispiel über ein Konzert von Ostbahn-Kurti berichtet. Um Urheberrechte haben wir uns damals noch nicht gekümmert, wir haben da recht unbeschwert gefladert, indem wir Fotografien aus anderen Magazinen für unser Cover verwendet haben.
Aber wir waren wahnsinnig motiviert. In den ersten sechs Monaten sind sechs Ausgaben entstanden. Die haben wir dann den Leuten auf der Straße in die Hand gedrückt und zu jedem Treffen mit Bekannten und Freund:innen mitgenommen.
Nach vier Ausgaben sind wir dann erstmals von Leser:innen gefragt worden, ob sie sich auch mit Texten beteiligen können.
Irgendwann war dann aber trotzdem die Luft draußen.
Ja, die Motivation war nach sechzehn Untergrundnummern weg. Ich selbst bin damals ein halbes Jahr in England gewesen. Nach meiner Rückkehr haben wir uns zusammengesetzt und uns gefragt, ob wir weitermachen oder aufhören sollen. Aber es gab bereits genügend Interesse, es haben sich Leute gemeldet, die mitmachen wollten und plötzlich waren wir ein Team von sieben Redakteur:innen. Wir haben dann den Verein DUM gegründet, um leichter um Förderungen ansuchen zu können.
1996 erschien die erste offizielle Nummer. Die trug dann wieder die Nummer eins.
Wie sah das neue DUM aus?
Wir sind damals auf A5-Format umgestiegen. Außerdem hatten wir jetzt endlich einen Computer, dadurch hat das Ganze schon besser ausgesehen, auch mit buntem Cover. Kopiert haben wir in einem Copyshop, die Auflage lag bald schon bei 500 Stück. Wir bekamen auch schon ziemlich viele Einsendungen aus ganz Österreich, auch aus Deutschland. An manchen Tagen sind sieben Textpakete bei mir angekommen, dann war der Postkasten mehr als voll.
Textbeiträge per Briefsendung – das heißt, ihr musstet die ausgewählten Texte abtippen?
Klar, Internet gab es damals ja noch keines in den Haushalten. Die Texte kamen entweder in Papierform, manche auch schon auf Diskette. Selbst später, als wir schon eine Mailadresse hatten, bekamen wir noch lange Einsendungen mit der Post. Ab Nummer 17 haben wir auch Fotos angefordert, anfangs kamen diese noch als Passfoto zu uns, das dann eingescannt wurde.
Und wie sah eure Auslieferung aus?
Die Abonnent:innen in der näheren Umgebung habe ich selbst mit dem Fahrrad beliefert, den Rest habe ich zur Post getragen. Mittlerweile machen wir die Auslieferung nicht mehr selbst, das Versenden der Abos übernimmt heute unsere Druckerei, die ihren Sitz im Waldviertel hat. Nur die Bestellungen, die dazwischen reinkommen, trage ich noch selbst zur Post.
Wie viele Texteinsendungen bekommt das DUM heute im Schnitt?
Das variiert. Wenn zum Beispiel ein großes Forum in Deutschland die Ausschreibung teilt, kann es sein, dass die Einsendungen plötzlich rasant zunehmen. Im Schnitt aber sind es 250 Texte pro Ausgabe. Bei den Dialektausgaben sind es weniger, da kommen 120 bis 150 Texteinsendungen. Der Rekord lag bisher bei 352 Texten.
Bei DUM werden die Texte anonym bewertet. Wie genau darf man sich das vorstellen?
Wenn die Einsendungen bei mir ankommen, kopiere ich die Texte ohne Namen, nur mit fortlaufender Nummer in eine Word-Datei, die ich am Schluss für uns drei im Copyshop ausdrucke. Wir bewerten mittels eines neunstufigen Systems, das hat sich seit den Neunzigerjahren gut bewährt.
Du beantwortest nach wie vor jedes Mail persönlich und auch sehr flott, das weiß ich, weil ich selbst schon bei DUM eingereicht habe. Das ist ein Service, das nicht viele Zeitschriften anbieten.
Wahrscheinlich übertreibe ich da. Aber ja, mir ist das wichtig. Die Autor:innen vertrauen uns ihre Texte an, ich möchte nicht, dass sie lange auf Antwort warten müssen. Auch habe ich es gern persönlich. Deswegen achte in den Tagen vor Einsendeschluss darauf, dass ich mir wenig Arbeit einteile.
Liest und bewertest du selbst immer mit?
Ja. Ich habe in den gesamten dreißig Jahren tatsächlich jeden einzelnen Text, der uns geschickt wurde, von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen. Darauf bin ich auch stolz. Manchmal ahne ich zwar schon nach zehn Zeilen, dass es der Text wahrscheinlich nicht in die Auswahl schaffen wird, dennoch sehe ich es als meine Pflicht, allen Texten dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken.
Haben sich die Texte im Lauf der Zeit verändert – bzw. gab es in den 30 Jahren so etwas wie Trends?
Das hängt immer von den jeweiligen Themen ab. Die aktuelle Ausgabe trägt gerade den Titel „Divers“. Das wäre vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen, schon gar nicht wären Autor:innen zur Lesung kommen, die sich selbst als divers bezeichnen. Heute ist man da wesentlich offener.
Auch merkt man den Texten der letzten Jahre den Einfluss der sozialen Medien an. Zum Beispiel gibt es in der aktuellen Ausgabe ein Interview mit Silke Gruber, Teile ihrer Textprobe bestehen aus Instagram-Einträgen. Auch diese Textform ist noch relativ neu.
Das DUM ist für seine kreativen Themen bekannt. Wie entstehen diese?
Für die Themenfindung treffen wir uns gerne im Café Oben am Dach der Hauptbücherei am Urban Loritz Platz. Diesmal sind die Themen allerdings nach am Nachhauseweg vom 30-Jahre-DUM-Fest entstanden. Da gab es am Weg zum Westbahnhof eine Open Air-Bierausschank, also haben wir uns spontan noch ein Bier gegönnt und gleich die nächsten Themen besprochen. Da es 2023 im Zuge des Viertelfestivals einen Kulturzug durch Langenlois geben soll, habe ich mir gewünscht, dass wir das Thema „Zug“ aufgreifen. Markus [Anm. Köhle] hatte dann die Idee, Mobilität als Jahresschwerpunkt zu nehmen und hat sich dann auch die einzelnen Untertitel ausgedacht.
[Neugierig geworden? Die nächsten DUM-Themen finden Sie auf dum.at!]
DUM erreicht mit einer Auflage von 1000 Stück Abonnent:innen in ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz. Selbst manche Verlage haben da eine wesentlich geringere Reichweite. Worin liegt euer Geheimnis?
Es gab natürlich immer wieder Tiefschläge. Aber nach jedem Tiefpunkt kam auch wieder eine Neuorientierung. Seit 2000 hat das DUM wieder A4-Größe und ein professionelles Layout, das hat der Wolfgang Hametner damals übernommen, und ich bin sehr froh und dankbar, dass er nach zwanzig Jahren immer noch bei uns ist.
Ein Erfolg von DUM ist aber sicher auch, dass wir als Verein im Kulturleben mitmischen. Wir haben immer schon Lesungen initiiert und organisiert. Nicht nur die DUM-Präsentationen in Wien und Niederösterreich, auch in Imst und Berlin waren wir schon, sondern etwa auch das Festival Literatur & Wein, das DUM gemeinsam mit dem Verein kimnaras ins Leben gerufen hat und das dann vom Literaturhaus Niederösterreich übernommen wurde. Auch die Veranstaltung Literatur in der Kellergasse, die 9 Jahre in Schiltern stattfand sowie die Reihe verlesen, die ebenfalls neun Jahre lang existierte und in einem Winzerstüberl Lesungen und Musk anbot, wurden von DUM mitorganisiert,
Seit 2011 gibt es Literatur im Kino, eine reine DUM-Veranstaltung, die 4-5x im Jahr in Langenlois stattfindet und Film und Literatur verbindet.
Abseits von den DUM-Veranstaltungen und -Projekten nehmen wir die Zeitschrift aber auch auf diverse andere Bühnen mit. Markus Köhle, der seit 2010 bei uns in der Redaktion mitarbeitet, ist ja als Poetry Slammer und Veranstalter, vor allem im Westen Österreichs, sehr aktiv. Auch Martin Heidl, der dritte in unserer Redaktion, nimmt das DUM auf all seinen Wegen mit.
Das DUM ist ist für viele Autor:innen Sprungbrett, nicht wenige, die heute in der Literaturszene bekannt sind – wie etwa Marjana Gaponenko, Robert Prosser, Magda Woitzuck, Vea Kaiser oder Martin Peichl – hatten ihre erste oder zumindest eine ihrer ersten Veröffentlichungen im DUM. An welche Erfolgsstorys erinnerst du dich besonders gern?
Robert Prosser, ja, der war mit seinem Roman „Phantome“ sogar für den deutschen Buchpreis nominiert. Ein besonders schönes Erlebnis für uns war auch, als sich der Residenz Verlag in unserer Redaktion gemeldet hat, weil ihnen der Text von Verena Mermer so gut gefiel. Die Autorin wurde von Residenz dann unter Vertrag genommen. Auch der erste Plattenvertrag für den Nino aus Wien kam nach einer DUM-Präsentation zustande. Ich habe den Nino damals auf einem Poetry Slam gehört und ihn um seinen Text gebeten, den ich dann auch in den Textpool aufgenommen habe, um zu sehen, wie er den anderen Redaktionsmitgliedern gefällt. Bei der Präsentation der Ausgabe im Café Anno hat mich Nino dann gefragt, ob er den Text aus dem DUM lesen muss, oder ob er auch etwas singen darf. Zufälligerweise saß an jenem Abend der Produzent von Problembär Records im Publikum.
Immer mehr Zeitschriften existieren nur mehr als PDF-Ausgabe, viele Literaturprojekte gibt es nur in Blogform. Gleichzeitig wird Papier immer teurer. Wie siehst du die Zukunft von Literaturzeitschriften?
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen auch heute noch das haptische Erlebnis schätzen, und das bietet nur eine gedruckte Zeitschrift.
Aber ja, die Druckkosten steigen, das spüren wir natürlich, wenn auch zur Zeit noch nicht ganz so stark. Eine wesentlich größere Herausforderung sind die gestiegenen Portokosten. Vor allem die Sendungen nach Deutschland sind teuer, das Porto allein kostet 6,50 Euro, bei einem Heftpreis von 4 Euro ist das enorm.
Hier liegt die eigentliche Herausforderung. Sehr lange haben wir den Preis nicht angehoben, von den Untergrundnummern bis zur Ausgabe 88 kostete ein DUM konstant 45 Schillinge bzw. 3,30 Euro. Mittlerweile haben wir auf 4 Euro erhöht.
30 Jahre Herausgabe einer Zeitschrift, Organisation diverser Veranstaltungen, Ausfüllen verschiedener Förderanträge, Pflege der Website … Du bist ja selbst Autor, dieses Jahr ist dein Roman „Kurzenbach“ erschienen, auch schreibst du Dialektlyrik, die du gemeinsam mit den Musikern Michael Bruckner und Fabian Pollack im Projekt "Zur Wachauerin“ umsetzt oder auch gemeinsam mit der Sängerin Irmie Vesselsky.
Gab es Momente, in denen dir die Organisationsarbeit zuviel wurde und du das Gefühl hattest, dass für eigene Projekte kaum noch Zeit bleibt?
Hm. Nein. Eigentlich nicht. Stressig ist es hauptsächlich bei Redaktionsschluss. Kaum hat man ein paar Mails beantwortet, kommt gefühlt schon wieder das nächste herein. Aber das sind nur ein paar Tage. Die Website aktualisiere ich hauptsächlich in den Wintermonaten, da ist weniger los.
Was das Lesen der Einsendungen betrifft: Wir fahren ja alle recht viel mit dem Zug, da ist man teilweise froh, wenn man etwas zu lesen hat. In einer Stunde Zugfahrt geht ja auch einiges weiter. Manchmal lese ich die Texteinsendungen auch in meiner Hängematte. Das ist dann sogar entspannend.
Danke für das Interview!
Für seine Tätigkeit hat der Verein DUM bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. 2007 war DUM für den V.O. Stomps-Preis für außergewöhnliche kleinverlegerische oder für besondere buchgraphische/literarische Leistungen nominiert. 2012 durfte DUM den Anerkennungspreis des Landes NÖ für Volkskultur und Kulturinitiativen in Empfang nehmen. Für die Veranstaltungsreihe Literatur im Kino erhielt DUM den Förderpreis der Kremer Bank, speziell für die Veranstaltung „Nöstlinger für jung und alt“ wurde dem Verein außerdem der Preis 150 Jahre Sparkasse Langenlois zugesprochen.
Ende 2020 erhielt DUM nochmals den Förderpreis der Kremer Bank – diesmal für die Idee, die acht Kremser Schulen ein Jahr lang gratis mit je 50 DUM-Ausgaben zu beschenken. Das Projekt wurde dieses Jahr umgesetzt.
Die Website von DUM mit allen Infos zur Zeitschrift, zum Verein und auch zu Literatur im Kino finden Sie auf www.dum.at
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