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„Ich wollte eigentlich nie Dialektautorin werden“

Gerlinde Allmayer zählt in ihrer Region zu den bekanntesten Dialektautor:innen, was nicht nur daran liegt, dass ihre Texte von hoher Qualität sind und beim Publikum gut ankommen, sondern auch daran, dass sie sich für ihre Region und den Dialekt unermüdlich einsetzt. Dabei hat sie selbst erst spät begonnen, im Dialekt zu schreiben.


Gerlinde Allmayer während der IDI-Tagung 2023 (Foto: © Gerd Allmayer)

Die Autorin kam 1958 in Niedernsill zur Welt, wo sie auch heute noch lebt. In ihrer Kindheit war der Dialekt die vorherrschende beziehungsweise einzige Sprache, erst durch den Eintritt in die Volksschule kam Allmayer mit der Hochsprache in Berührung. Die Zweisprachigkeit empfindet sie als Vorteil. Sie selbst habe mit dem Erlernen der hochdeutschen Sprache keine Probleme gehabt, weniger sogar als jene Kinder, die in einem Mischmasch aus Dialekt und Hochsprache erzogen wurden. „Als Kind ist es wichtig, dass du eine Sprache ordentlich beherrscht, dann sind die Wurzeln für jede weitere Sprache gelegt“, meint sie.

Mit dem Schreiben hat Gerlinde Allmayer bereits als junge Erwachsene begonnen. Der Dialekt kam in ihrer Literatur allerdings erst 1997 dazu, als die Dialektautorin Barbara Rettenbacher-Höllwerth († 29.8.2023), einst Allmayers Volksschullehrerin, vom literarischen Schaffen ihrer ehemaligen Schülerin erfuhr und sie ermunterte, für die Niedernsiller Stund Dialekttexte zu verfassen.

„Ich wollte eigentlich nie Dialektautorin werden“, gesteht Allmayer. „Für mich hatten Dialektgedichte damals noch den Beigeschmack: zu brav, zu verstaubt, zu heimattümelnd. Ich kannte bis dahin fast ausschließlich gereimte Dialektgedichte, in denen es um Wald, Blumen und Alm ging.“

Bei der Niedernsiller Stund stachen die Texte Allmayers heraus. Dass erkannte auch Max Faistauer, der damalige Leiter des Arbeitskreises Regionale Sprache und Literatur im Salzburger Bildungswerk. Er ermunterte die Autorin, weiterhin im Dialekt zu schreiben – und Allmayer blieb dabei.

„Anfangs war meine Niederschrift fürchterlich! Gerade die verschiedenen E-Laute des Pinzgauerischen kann man nicht eins zu eins abbilden. Von Max Faistauer lernte ich dann, wie wichtig es ist, dass sich die Schreibweise der Wörter einheitlich durch den Text zieht. Am Ende soll der Dialekt nachvollziehbar, aber auch lesbar sein.“

Durch die Teilnahme an Seminaren und Schreibwerkstätten tauchte Allmayer schließlich immer tiefer in die Dialektliteratur ein. Über Barbara Rettenbacher-Höllwerth lernte sie auch die Ö.D.A. und den Morgenschtean kennen und stellte schließlich fest: In der Dialektliteratur gibt es durchaus viele gute, kritische Texte.

„Und so bin ich dann immer tiefer in diesen `Sumpf´ hineingerutscht und seither nicht mehr wieder herausgekommen“, gesteht die Autorin lachend.

Mittlerweile ist Allmayer nicht mehr „nur“ Autorin, sondern außerdem Organisatorin zahlreicher Veranstaltungen und Schreibwerkstätten. 2008 übernahm sie selbst die Organisation der Niedernsiller Stund, die jedes Jahr Ende September stattfindet - 2023 fand das Event bereits zum 36. Mal statt. Lasen in den Anfängen noch ausschließlich Autor:innen aus dem Oberpinzgau, weitete bereits Rettenbacher-Höllwerth die Einladungen auf andere Gaue aus. Allmayer veränderte die Veranstaltung nochmals. Statt wie früher sechs, sieben oder acht Autor:innen, werden jetzt nur mehr vier eingeladen, damit sich das Publikum besser auf die Lesenden und ihre Texte einstellen kann. Eine:r der vier kommt aus dem internationalen Raum – meist über das Internationale Dialektinstitut IDI, dessen Vizepräsidentin Allmayer mittlerweile ist. Auch der Veranstaltungsort wurde geändert – statt im Gasthaus werden die Texte nun im Kulturzentrum Samerstall Niedernsill vorgetragen.

„Wir haben dort einen schönen Veranstaltungssaal und außerdem, in einem angeschlossenen Raum, das Tauriska Mundartarchiv, in dem wir Mundartschriften und -Publikationen aus dem Land Salzburg sammeln. Die ältesten sind aus dem neunzehnten Jahrhundert. Das Ambiente im Samerstall bietet dem Publikum die Möglichkeit, sich konzentriert auf die Texte einzulassen – und ich habe das Gefühl, dass die Veranstaltung dadurch sehr gewonnen hat.“

Seit 2011 wird die Niedernsiller Stund auch auf Radio Salzburg ausgestrahlt, sodass auch Menschen von außerhalb die Texte hören können.

Aber auch im restlichen Jahr setzt sich Allmayer für die Dialektliteratur ihrer Region sowie die Literatur im Allgemeinen ein. Sie ist mittlerweile Leiterin des Arbeitskreis Regionale Sprache und Literatur, leitet das vorhin erwähnte Tauriska Mundartarchiv und als Vizepräsidentin des IDI (Internationales Dialekt Institut) ist sie auch international mit der Mundart vernetzt. Darüber hinaus bietet sie Schreibwerkstätten in hochdeutscher Sprache und im Dialekt an, nicht nur an Schulen, sondern unter anderem auch an der VHS Zell am See.

Während der Pandemie rief Allmayer eine Online-Schreibwerkstatt ins Leben, die sich schließlich WmW (Weiwaleit mit Weitblick) nannte und im Frühjahr 2022 gesammelt Texte an den Morgenschtean sandte, von denen einige in der Ausgabe U72-73 abgedruckt wurden. Auch heute noch treffen sich die Mitglieder einmal im Jahr bei einer Online-Schreibwerkstatt, was den Vorteil hat, dass auch jene, die nicht im Pinzgau wohnen, problemlos mit dabei sein können.

Um andere Autor:innen zu fördern, gründete Allmayer schließlich auch den manggei-Verlag. Dort sind zahlreiche Publikationen im Pinzgauer sowie auch im Tennengauer Dialekt erschienen, nicht nur von Gerlinde Allmayer selbst, sondern auch von Max Faistauer, Gundi Egger, Maria Junger, Erika Rettenbacher, Lisbeth Ebner, Anna Nindl, Theresia Oblasser und Ursula Pernhofer (siehe Infobox unten).

2017 erhielt Allmayer für ihr literarisches Werk und ihre Verdienste zur Förderung des Dialekts den Walter Kraus Mundartpreis.

„Das war schon ein schönes Gefühl. Den Preis erhält man ja nicht bloß für ein Gedicht sondern für ein umfangreiches Schaffen.“

Ob sie selbst auch manchmal Texte in hochdeutscher Sprache verfasse?

„Natürlich. Nicht jeder Text will im Dialekt niedergeschrieben werden. Manche Texte kommen gleich im Dialekt heraus, andere wollen lieber auf Hochdeutsch niedergeschrieben werden.“

Autor:innen, die gerade beginnen, im Dialekt zu schreiben, rät Allmayer, sich ein Wortregister für den eigenen Dialekt anzulegen.

„So fällt es leichter, sich eine einheitliche Schreibweise anzugewöhnen – und erleichtert auch die Zusammenarbeit mit einer Lektor:in.“

Durch ihre Verlagsarbeit und die vielen Zusammenkünfte mit Dialektautor:innen aus diversen deutschsprachigen Regionen, wurden auch andere Dialekte immer vertrauter für Allmayer.

Die Liebe zur Literatur und zum Dialekt hat Gerlinde Allmayer an ihre Tochter weitergegeben. Trotz Übersiedelung nach Vorarlberg schreibt Cornelia Allmayer-Krieg Gedichte im Dialekt ihrer Kindheit und Jugend. Dass das Talent weitervererbt wurde, davon kann man sich im neuen Morgenschtean (U76-77) überzeugen!


Dieser Artikel erschien auch in der >Gratisbeilage zum aktuellen Morgenschtean (U78-79/ Nov. 2023)


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Morgenschtean – Die Österreichische Dialektzeitschrit

Hg von: Ö.D.A. – Österreichische Dialektautor:innen

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Kontakt: morgenschtean@oeda.at

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