»Manchmal bin ich mir vorgekommen wie ein besonders lustiger Pudel bei einer Hundeschau«*
Nachruf auf einen unbequemen Liedermacher.
Zum Tod von Arik Brauer (4. Jänner 1929 – 24. Jänner 2021)
Bild: Franz Johann Morgenbesser from Vienna, Austria, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons
»Ich habe ein Anliegen … manche werden es glauben, andere nicht, aber ich habe wirklich ein Anliegen … mit meiner Musik, mit meinen Liedern und natürlich auch mit meiner Malerei, und dazu ist es notwendig, dass ich die Lieder so interpretiere und die Interpretation so verbreite, dass es auch wirklich gehört wird. Sonst ist das Ganze ja für die Katze.«*
Nein, für die Katz’ waren sie bestimmt nicht, seine Lieder .
Auch seine Malerei war es nicht, aber um die soll es hier nicht gehen.
Die ersten Songs schrieb der Maler, Sänger und Dichter während der Sechzigerjahre in Paris – »…inspiriert von dem Bedürfnis, den in Österreich in keiner Weise aufgearbeiteten Nazi-Faschismus zu attackieren.«**
Brauer, der mit H. C. Artmann befreundet war und dessen Dialektgedichte regelrecht studiert hat, wurde von diesem schließlich auch ermuntert, mit eigenen Texten an die Öffentlichkeit zu treten.
Mit seinen qualitativ hochwertigen Dialektliedern war er in Folge nicht nur maßgeblich an der Geburt des Austropop beteiligt, sondern traf vor allem den Nerv der österreichischen Gesellschaft jener Zeit. Dass die meisten seiner Liedtexte bis heute nicht an Gültigkeit verloren haben, liegt wohl in der Natur des Menschen.
Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix
Ober meiner, unter meiner siach i nix
Spür nix, hear nix und i riach nix
Denk i nix und red i nix und tu i nix
(aus "Sein Köpferl im Sand", 1971)
Es wird sie immer geben. Die Wegschauer. Die Leugner. Die Köpferl-in-den-Sand-Stecker. Diejenigen, die es sich selber richten und sich nicht um ihre Mitmenschen scheren. Diejenigen, denen das Denken zu anstrengend ist – oder die denken, dass sie als einzige die Wahrheit für sich gepachtet haben und den anderen das Denken absprechen wollen.
Arik Brauer war das Gegenteil. Ein Wachrüttler par excellence, einer, der für die Menschenwürde und den Erhalt der Demokratie kämpfte – wohl auch, weil er aus eigener Erfahrung wusste, wie schnell die Werte einer Gesellschaft kippen können. Er selbst hat den Holocaust nur knapp überlebt – in einem Versteck in Wien-Ottakring. Sein Vater, ein aus Litauen stammender jüdischer Schuhmacher, starb in einem Konzentrationslager.
In Schubladen ließ sich der Ausnahmekünstler Zeit seines Lebens nicht stecken. Nicht in die des »Juden«, nicht die in des »Linken«. Brauer mischte sich ein – dort, wo Meinungen und politische Gesinnungen (selbst wenn sie seinen eigenen sehr nahe standen) zum Mainstream wurden.
Im Gespräch bleiben, niemanden ausgrenzen, selbst die Unbequemen nicht. So lautete seine Devise.
»Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass man alles hinterfragen soll. Wenn alle in eine gewisse Richtung springen, werde ich skeptisch«**, sagte er am 3. Jänner 2019 in einem politischen Gespräch mit Der Standard anlässlich seines neunzigsten Geburtstags.
Es gäbe vieles zu sagen zum Universalkünstler Arik Brauer. Doch statt eines Nachrufs wollen wir lieber einen Aufruf starten, und zwar an die junge Liedermacher*innen von heute, die unserer Gesellschaft den Spiegel ebenso schonungslos vor Augen halten, wie Brauer es Zeit seines Lebens getan hat.
Auch wenn es nicht immer leicht ist: Hört nicht auf, unbequem zu sein … und verliert trotz bitterer Realität nie euren Humor!
Zum Schluss möchten wir noch ein besonders Fundstück teilen: Ein Interview aus dem Jahr 1995 – gefunden in der österreichischen Mediathek des technischen Museums.
(Text: Margarita Puntigam-Kinstner)
Quellen:
* Ö1 Mittagsjournal vom 12. Jänner 1971 (> Link zur Sendung / Österreich Mediathek)
** Der Standard, 3. Jänner 2019. (> Link zum Originaltext / Der Standard)
Buchtipp:
WIENERISCH FÜR FORTGESCHRITTENE
ISBN-13: 978-3-99050-186-3
Erscheinungsdatum: 10.09.2020, Verlag Amalthea
1. Auflage, mit zahlr. Abb., 128 Seiten
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