Dem Waldviertlerischen treu geblieben
ChristiAna Pucher lebt schon lange in Tirol, sie ist Mitglied des Wortraums Imst und veröffentlicht seit vielen Jahren im Morgenschtean. Ihre Texte schreibt sie nach wie vor im Waldvierter Dialekt – in den sich einige Tiroler Wörter eingenistet haben. Im März wurde die Autorin 70 Jahre alt.
Du bist in Drosendorf aufgewachsen, heute lebst du im Ötztal. Das ist dialektmäßig gesehen ein ganz schön weiter Sprung. Wann hast du begonnen, im Dialekt zu schreiben – und wo verortest du deinen Dialekt heute?
Zum Schreiben kam ich erst 2011 bei einem Schreibseminar mit Annemarie Regensburger. Bis dahin schrieb ich lediglich Gedankenfetzen in ein Büchlein. Nach dem Seminar animierte mich Annemarie im Dialekt zu schreiben. Da in meiner Sprache mein erlernter Dialekt immer im Vordergrund war, bin ich im waldviertlerischen Schreiben geblieben. In dieses sich in den letzten 50Jahren einige Tiroler Worte einnisteten.
Wenn man den Morgenschtean aufschlägt und deinen Namen liest, fällt sofort das große A auf. Wie bist du auf diese Schreibweise deines Namens gekommen?
Eigentlich war es meine Erkenntnis, dass mein parasitärerer Zwilling, der mir in meiner Jugend entfernt wurde, ein Teil von mir war und immer noch zu mir gehört. Dadurch wurde mein erstes a im Namen groß. Nun ist er eingebunden in meinem Namen: ChristiAna.
2019 warst du Preisträgerin in der Kategorie »Lyrik« des Forum Land Literaturpreis. Hast du immer schon Lyrik geschrieben, oder gibt es auch Prosatexte von dir?
Prosatexte schreibe ich wenige. Hauptsächlich Kurzgeschichten aus meinem Leben, für die Familie zur Nachlese nach meinem Tod.
Aber im Herbst 2023 wurde ich von der Jury des Karl-Pömer-Preis der Gruppe »neue mundart« mit dem dritten Platz überrascht.
In deinen Texten beschäftigst du dich unter anderem mit dem Rollenbild der Frau. Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten 50 Jahren gebessert, und wo sind wir noch immer viel zu weit vom Idealzustand entfernt?
Der Wert des weiblichen Menschenbildes hat sich in den letzten 50 Jahren nur ein bisschen gebessert. Zumindest werden wir Frauen manchmal bei Deutsch-Sprechenden, mit -Innen erwähnt. Formt Sprache nicht unsere Gedanken? Gedanken führen zu Handlungen. Handlungen sind ein Teil der Realität. Wenn Frauen in der Sprache nicht erwähnt werden, werden auch ihre Leistungen übersehen. Darum müssen wir Frauen und Mütter, auch Männer und Väter unsere Kinder so erziehen, dass Frauen in der Gesellschaft den gleichwertigen Rang haben wie Männer.
Du bist Mitglied des IDI und auch des »Wortraum Imst«. Ihr gebt gemeinsam Publikationen heraus, regelmäßig tretet ihr auch bei Lesungen auf und beteiligt euch an Ausschreibungen von Literaturzeitschriften. Was bedeutet es für dich und dein Schreiben, Teil einer größeren Autor:innengemeinschaft zu sein?
Es bedeutet für mich, sich Zeit nehmen, ein Dasein für uns Frauen. Es ist ein gegenseitiges Stützen, Stärken und vor allem ist es für mich immer noch bereichernd, das Arbeiten an unseren Textarbeiten und sonstigem gemeinsamen Tun.
In den letzten Jahren erreichen uns wieder vermehrt Texte von jungen Autor:innen, die den Dialekt für ihre Literatur (wieder-)entdeckt haben. Welchen Ratschlag würdest du Ihnen geben? Welche Stolpersteine sind dir selbst begegnet – gerade als jemand, der sich zwischen den Sprachwelten bewegt?
Es erfreut mich sehr, dass es immer mehr weibliche Literatur auf den Büchertischen zu finden ist. Einen Ratschlag? Den dialektschreibenden Frauen und Männern kann ich leider keinen weitergeben. Vielleicht, selbstbewusst im eigenen Stil, in eigener Sprache zu schreiben. So wie ich in meinen Waldviertlerisch mit Tiroler Einistungs-Dialekt.
Zum Abschluss noch eine Frage an dich als Leserin: Gibt es ein Lieblingsbuch von dir? Und falls dieses in Hochsprache ist – kannst du uns noch ein zweites Buch im Dialekt empfehlen?
Das faszinierendste Buch, das ich gelesen habe ist: »Die Frau in der mittelalterlichen Stadt« von Frau Professorin Erika Uitz. Sie beschreibt, warum und wie sehr Frauen im Mittelalter an der Emanzipation des Bürgertums beteiligt waren.
Meine Lieblingsbücher im Dialekt sind die Lyriken von Annemarie Regensburger und von Angelika Polak-Pollhammer. Ich mag ihre kurzen prägnanten Gedichten, die voll mit Leben und Kritik gespickt sind.
Die Fragen stellte Margarita Puntigam-Kinstner, April 2023
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