"Hochsprache ist Geröll und Felsenformation, Dialekt ist tröpfelndes, rauschendes, reißendes Wasser"
Den Namen Stephan Roiss kennen Literaturbegeisterte allerspätestens seit seinem Roman Triceratops (2020), der es direkt auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. Unter den Namen "Äffchen" rappt und singt der Autor und Musiker im oberösterreichischen Dialekt – zu den elektronisch gepimpten Drumbeats von Christoph „Craigs“ Hehn .
Margarita Puntigam-Kinstner hat sich das neue Album "Extremliab" von "Äffchen & Craigs" angehört und Stephan Roiss ein paar Fragen gestellt.
Fans der heimischen Hip Hop Szene kennen dich schon länger als "Äffchen". Wie hat eure Karriere als Duo gestartet? Und gab es eure Namen "Äffchen" und "Craigs" schon davor?
Vorab: Unsere Musik hat sicherlich starken Hip Hop-Einfluss, aber wir nehmen uns selbst nicht als Hip Hop-Act wahr. Auf Ö1 wurden wir einmal im Dreieck von Attwenger, Texta und König Leopold verortet – was ich bis heute recht passend finde, auch wenn unsere Affinität zu 80s-Pop-Ästhetik und härterer Gitarrenmucke dabei ein wenig unter den Tisch fällt.
Ursprünglich war „Äffchen & Craigs“ bloß ein vergnügliches Nebenprojekt zu „Fang den Berg“ – einem Noiserock-Impro-Quartett, bei dem wir beide schon seit 2007 aktiv sind. Sowohl das Grundkonzept als auch die Namen sind während einer Probenpause dieser Band entstanden. Bis 2016 ist dann auch nur wenig mehr passiert, als dass wir uns ab und an zu einer Studiosession getroffen haben und ge-meinsam eine lustige Zeit hatten. Als wir aber bemerkten, dass sich über die Jahre genügend Tracks für ein Album angesammelt hatten, begannen wir es ernst zu nehmen. Unsere Debütplatte „Hop Hop“ erschien 2017 und seither professionalisie-ren wir uns zunehmend.
Du rappst im Oberösterreichischen Dialekt. Was kann Dialekt für dich, was Hochsprache nicht bietet?
Beides bietet Vor- und Nachteile. Hochsprache ist Geröll und Felsenformation, Dialekt ist tröpfelndes, rauschendes, reißendes Wasser. Dialekt tendiert zu weicheren Klängen, er scheint mir anschmiegsamer und flexibler, aber nicht weniger kraftvoll. Zudem pflegt er für mich eine innigere Beziehung zu Humor. Ich laufe beim Texten oft Gefahr, pathetisch zu werden und dann mitunter in eine übertriebene Bedeutungsschwere zu kippen. Wenn ich im Dialekt schreibe, kann mir das kaum passieren. Er zwingt mich förmlich dazu, mich nicht zu ernst zu nehmen.
Wie entstehen die Ideen zu den Texten?
Auf sehr unterschiedliche Weisen. Manchmal gibt es zuerst einen Beat und ich lasse mich von der Stimmung der Musik zu den Inhalten leiten. Manchmal schnappe ich auf der Straße einen Ausdruck auf, der mich begeistert und der zum Ausgangspunkt eines Textes wird. Manchmal beschäftigt mich einfach ein Thema und ich schreibe einen Song darüber – in „Äffchen & Craigs“-Manier, wenn ich es passend für das Projekt finde.
In den Texten spielst du zum Teil mit typisch österreichischen Ausdrücken, insgesamt gibt es viel schräge Reime. Die Songtexte, so könnte man sagen, bewegen sich quasi zwischen Spaß & Dada, enthalten aber auch eine große Portion Gesellschaftskritik. Gibt es literarische/ musikalische Vorbilder, die dich als Musiker/ Texter beeinflussen?
Die „schrägen Reime“ sind – falls ich dich richtig verstehe – kein besonderes Merkmal für uns, sondern allgemein sehr gängig im Hip Hop und im zeitgenössischen Pop geworden. Gerne mehrsilbig, gerne unrein. „Haus“ aus „Maus“ und „gehen“ auf stehen“ kann man machen, lieber aber „Minidisc“ auf „widerlich“ oder „(für sein) Audi ned zoihn“ auf „(in Bill) Kaulitz verknoit“. Wobei ich kein Reimfetischist bin und gerne einfache Lösungen bevorzuge, wenn sie dem Song besser dienen.
Wir haben nach wie vor viel Spaß an bloßen Blödeleien, aber versuchen bei den Lyrics unser Augenmerk mehr und mehr auf Nachvollziehbarkeit, Konkretheit und das Sichtbarmachen politischer Haltungen zu legen – ohne ins Schmettern von Pa-rolen zu verfallen.
Vorbilder im engeren Sinn gibt es nicht, aber freilich gibt es Künstler:innen, die mich beeinflusst haben. Um nur einige Namen zu nennen, die im Zusammenhang mit „Äffchen & Craigs“ vielleicht bedeutsam sind: H.C. Artmann, Lauryn Hill, Surro-gat, Fiva, Attwenger, Peaches, Danger Dan, Sookee, Austrofred, M.I.A., Kummer, Musheen, Kamp, Fuckhead, Valina, Hildegard Knef, Hgich.T, Cr7z, Texta, Markante Handlungen.
Wie darf man sich die Entstehung eines neuen Tracks vorstellen. Kommst du mit dem bereits fertigen Texten zu Craigs, der ja für die Drumbeats verantwortlich ist, oder wird da dann noch viel herumexperimentiert?
Die Ressorts sind bei uns recht klar verteilt. Craigs komponiert die Musik und entwickelt den Schlagzeug-Groove, ich texte, rappe, singe. In unserer Anfangszeit war so gut wie immer der Beat zuerst da. Heutzutage arbeiten wir enger und früher zu-sammen, kritisieren einander mehr und der Text entsteht nun häufig vor der Musik oder zeitgleich mit ihr. Den Feinschliff besorgen wir jedenfalls gemeinsam.
Ihr seid unter anderem auch schon in Berlin aufgetreten. Wie geht es euren Fans in Deutschland? Verstehen sie alles oder kommen da oft Fragen?
Klar verstehen sie nicht alles, aber mehr als wir vorab erwartet hätten. Und dass nicht jede Wortbedeutung sofort erfasst wird, ist auch nicht schlimm. Erstens entstehen durch die Nachfragen oft gute und amüsante Gespräche und zweitens punktet unser Dialekt auch jenseits des Inhalts: Meiner Erfahrung nach stößt der österreichische Sprachklang auch nördlich von Bayern vorwiegend auf Sympathie und wird schöner als so manch deutscher Dialekt empfunden. Dabei ist Sächsisch doch so sexy.
Was war euer lustigstes Erlebnis als "Äffchen & Craigs"?
Derer sind zu viele.
Gibt es schon nächste Konzerttermine, die ihr uns verraten könnt?
Am 7.6. spielen wir im Chelsea in Wien. Am 1.9. in Schlierbach (OÖ) – im Rahmen eines Literaturfestivals.
Vielen Dank. Zuletzt wie immer die Frage nach dem Lieblingsdialektwort. Wie lautet deines?
Im Moment: „vawoadagelt“.
Äffchen & Craigs: EXTREMLIAB
Laut dem Duden bedeutet EXTREM: „äußerst…, bis an die äußerste Grenze gehend“. LIAB steht nicht drin. Beides passt hervorragend. Denn erstens helfen ÄFFCHEN & CRAIGS dem Universum beim Ausdehnen, und zweitens benötigt die Welt so viel Liebe, dass die Sprache versagt. Das oberösterreichische Duo ist äußerst dreist, äußerst elegant, äußerst puristisch: Schlagzeug plus Synthiesounds plus Stimme. Mehr brauchen die beiden nicht, um ihren Tracks Gestalt zu verleihen. Ob 80er-Pop oder schelmischer Hip Hop, Spoken Word-Komödie oder Digitalrockbanger: es ist kompakt und energetisch, widerspenstig und charmant. Die Texte bergen viel Schalk, viel Schock, viel Schönheit, sie sind renitent und ironisch, Dada mit Deepness. Das neue Album EXTREMLIAB versammelt wuchtige Bretter, Ohrwürmer, helle Hymnen.
„Ein Song nach dem anderen ein überzeugender Kopfnicker … 9/10“ (The Gap)
Das Album kann als Vinyl oder Downloadlink bei O-Ton bestellt werden
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