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"ZUM GOLDENEN RENTIER"


In der Pinzgauer Fremdenverkehrsgemeinde feiert man gerade das traditionelle „Fest der Pferde“, als plötzlich ein „barfüßiges blondes Mädchen in fremdländischer Tracht“ auftaucht und alles aus den Fugen geraten lässt.

Aber was hat es mit der schönen Fremden auf sich, die dem alten Toni beinah einen Herzinfarkt beschert? Und was ist damals eigentlich passiert, als Toni in Finnland als Gebirgsjäger stationiert gewesen ist? (Oder auch danach, als die Mariedl ihr Kind bekommen hat?)


In seinem Debütroman spielt Roland Bonimair mit ländlichen Traditionen, nordischer Mythologie, lässt das verschwundene Bernsteinzimmer wieder auftauchen und erklärt uns, wieso man am Boden diverser Seen nicht immer findet, wonach man sucht.

Eine Leseempfehlung für alle, die es gern schräg und rasant haben! (MPK)



~ 6 Fragen an Roland Bonimair ~


© Roland Bonimair

„Zum Goldenen Rentier“ ist – zumindest von der Form her – fast mehr Theaterstück als Roman. Verbindet dich eine besondere Nähe zum Theater?


R.B: Theater liebe ich heiß! Als Zuschauer genieße ich so ziemlich alles, vom dörflichen Laientheater über die Staatsbühnen bis hin zu avantgardistischen Bühnenexperimenten. Und wenn eine Aufführung einmal wirklich, wirklich misslungen ist, quält mich das nicht wie ein schlechtes Buch oder ein schlechter Film, sondern ich leide amüsiert, als wäre ich eine Figur in einem Woody-Allen-Film.

Ich selber mische bei der Wiener Theatergruppe „Zenith Productions für Theater und Musik“ als eine Art Mädchen für alles mit. Alles außer Schauspiel. Also Organisatorisches, PR, Publikumsdienst und solche Sachen. Heuer habe ich gemeinsam mit dem Regisseur auch eine Bühnenfassung der „Bremer Stadtmusikanten“ verfasst. Daraus wurde bei uns „Die Wiener Stadtmusikanten“, da hat auch die türkise Truppe des endlich wieder Ex-Kanzlers ihr Fett abgekriegt.

Beim „Rentier“ habe ich ausgelassen herumexperimentiert, das geht, wie du sagst, schon stellenweise in Richtung Theaterstück oder auch Drehbuch. Vielleicht klingelt ja bei jemandem was.


Dein Debüt spielt zu einem großen Teil im Pinzgau. Was das Lesen sehr vergnüglich macht, ist, dass du mit den Traditionen und auch mit Klischees spielst. Aufgefallen ist mir an dieser Stelle, dass du deine Figuren nie wirklich im Pinzgauer Dialekt miteinander sprechen lässt. War das eine bewusste Entscheidung?


R.B: A Gwirg is des gwe’n, do hu i woihtan vü zan kiefün kchob! Frei übersetzt: Es war eine leidvolle Entscheidung. Ich wollte die Pinzgauer Figuren anfangs viel mehr in ihrem Dialekt reden lassen, habe es aber ehrlich gestanden nicht auf die Reihe gekriegt. Da gab es zum einen das Problem der Transkription. Vieles, was gesprochen fein klingt, ist mir niedergeschrieben als Murks vorgekommen. Ich habe es mit verschiedenen Schreibvarianten probiert, die mir aber allesamt nicht gefallen haben. Zudem existiert „das Pinzgaurische“ als solches ja gar nicht. In Wahrheit spricht man ja von Dorf zu Dorf anders, und innerhalb der Dörfer oder Marktgemeinden oder Städte macht es noch einmal einen Unterschied, von welchem Ortsteil und aus welcher Schicht du kommst. Schattseitler reden anders als Sunnseitler. Bauern reden anders als der Rest der Leute. Zumindest war es einmal so, und ist es noch in meinem Kopf. Ich habe ja bewusst einen fiktiven Ort als Schauplatz gewählt, also wollte ich auch nur überregional gesprochene Dialektwörter verwenden, die nicht auf einen bestimmten Ort verweisen.

Nicht zu vergessen der Wandel der Sprache. Mein Buch spielt von den 1940ern bis in die 1980er, da gab es ja einen ziemlichen Sprung, und einen noch größeren Sprung gab es dann von den 1980ern bis heute. Meine Oma hat einen anderen Dialekt geredet als ich, und bei den heutigen Kids klingt es wieder anders. Wäre ich da überhaupt sattelfest genug? Einfach ignorieren? Solche Überlegungen haben mir das Hirn vernebelt – bis ich mir die rettende Frage gestellt habe: Sollen die Figuren eigentlich nur deshalb Pinzgaurisch reden, weil ich das irgendwie schön finden würde? Oder hat es irgendeinen Nutzen für das Buch? Und ich habe mir dann die Antwort gegeben, dass es keinen Mehrwert für Buch und Leser hat, sondern im Gegenteil von dem wegführt, was mir wichtig ist. Wichtig ist mir unter anderem das – wie du es genannt hast – Spiel mit Traditionen und Klischees, und natürlich auch das Durch-den-Kakao-ziehen von Glaubensvorstellungen aller Art.


Du lässt eine Menge nordischer Göttinnen und Götter auftreten, und dann gibt es da einen doppelbödigen See. Hast du die finnische bzw. samische Mythologie an manchen Stellen ein wenig gesprengt, oder hältst du dich in deinen Darstellungen strikt an die Überlieferungen?


R.B: „Ein wenig gesprengt“ ist gut! Ich habe mir alle Freiheiten der Welt genommen. Und mir die Götterwelt gemacht, wie sie mir gefällt. Es ist aber auch im Bereich der samischen Mythologie erstaunlich viel „Wahres“ im Buch. In nahezu allem steckt ein Körnchen Wahrheit. Mehr sollte man sich von einem Buch, bei dem im Untertitel jodelnde Pferde vorkommen, wohl auch nicht erwarten.

Bei den Göttern habe ich mir mehr zurechtgebogen als bei den Geistern – bei denen bin ich nahe an den hochseriösen Überlieferungen geblieben. Alle Geister, die im Buch vorkommen, gibt es wirklich, hätte ich jetzt fast gesagt.


In deinem Buch treffen die unterschiedlichsten Figuren und Mythen aufeinander, auch wird man immer wieder überrascht (so taucht etwa das Bernsteinzimmer wieder auf). Wie lang war der Weg von der ersten Idee bis zum fertigen Buch und welche Meilen- bzw. auch Stolpersteine lagen dazwischen?


R.B: Die erste Idee ist mir vor fünf Jahren in Lappland gekommen, beim Besuch eines Saivos, also eines doppelbödigen Sees. Das war unheimlich mystisch und gleichzeitig lustig und entspannt, wie so vieles in Finnland und besonders in Lappland.

Wir Älpler vermuten ja bei jeder größeren Pfütze gleich, dass am Grund Nazigold versteckt ist. Weil auch einer meiner Großväter sein Leben als Wehrmachtssoldat im hohen Norden beendet hat, war die Grundidee für das Buch schnell geboren.

Die Geschichte ist bald in die verschiedensten Richtungen davongaloppiert. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Westafrika (in einer finnischen Künstlerkolonie im Benin) und etlichen schrägen Erfahrungen mit Voodoo-Zeremonien war mir dann klar, dass auch die dortige Mythologie irgendwie ins Buch hinein muss.

Ein fast unüberwindliches Hindernis war für mich die Verknüpfung von spöttischem Grundton und Nazithematik. Ein Minenfeld! Als Meilenstein sehe ich den Moment an, in dem ich die erste geschriebene Version den Wölfen zum Fraß vorgeworfen, also Freunden zum Lesen gegeben habe. Nichts kurbelt die Kreativität so sehr an wie Kritik!


Du hast im Corona Jahr 2020 den Landam Saivo- Verlag gegründet. Hast du vor, in Zukunft auch andere Autor*innen zu verlegen? Und wenn ja: Schwebt dir eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung vor?


R.B: Gegründet habe ich den Verlag sogar schon im Vor-Corona-Herbst 2019 – und gleichzeitig begonnen, mir über den einjährigen Verlagslehrgang im Goldegg-Verlag ein paar elementare Branchenkenntnisse anzueignen.

Ja, ich will auch andere Autor*innen verlegen. Ob ich mich selbst noch einmal verlegen würde, schwebt freilich in der Luft. Weil es halt doch einen gewissen Goût hat. Und weil Autor und Verleger in manchen Dingen natürliche Feinde sind, die sich gegenseitig auf die Füße steigen. Was blöd ist, wenn es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt.

Inhaltlich schwebt mir ausgelassene, aber tiefgründige Literatur aus und über Finnland und die Salzburger Alpenwelt vor.


Wenn man einen eigenen Verlag gründet, ist man ganz schön eingesetzt – von Behördengängen bis hin zur Herstellung und Vermarktung und dem Aufbau eines Programms. Bleibt da noch Zeit zum Schreiben? Und wenn ja: Verrätst du uns, was gerade entsteht?


R.B: Ich würde es so formulieren: Als Verlagsgründer hast du viele schöne Dinge zu erledigen und triffst auf interessante und angenehme Menschen. Sieh es als Vergnügen – oder lass es! Ich jedenfalls möchte es nicht mehr missen. Mein Feuer ist also noch nicht erloschen.

Derzeit beschäftige ich mich mit der Übersetzung der autobiographisch angehauchten Erinnerungen einer 1938 im letzten Moment als junges Mädchen nach Finnland entkommenen Wiener Jüdin, die dort zu einer großartigen Künstlerin gereift ist. Daneben jage ich anderen blauen Blumen nach: Ich habe mir etwa in den Kopf gesetzt, Novalis’ Roman „Heinrich von Ofterdingen“ zu einer Bühnenversion einzudampfen. Das ist ein Werk voll begnadeter Verrücktheit.


 

© Roland Bonimair

Roland Bonimair:

Geboren und aufgewachsen in Mittersill (Pinzgau).

Studium Germanistik und Finnougristik in Wien.

Autor und Journalist.

„Zum Goldenen Rentier“ ist sein Debütroman.



Zum Goldenen Rentier

Landam Saivo, 2020

144 S. ISBN 978-3-200-07333-3, €18,90



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