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»Dialekt ist ja nie etwas Statisches«

Morgenschtean-Redaktionsmitglied Katherina Braschel im Interview


Katherina Braschel (Foto © Leonhard Pill)


Du bist in Salzburg aufgewachsen und lebst in Wien. Wo würdest du deinen Dialekt verorten?

Irgendwo auf der Westbahnstrecke dazwischen. Manche Ausdrücke habe ich zwischen den Sitzreihen im Zug herausgekletzelt, als man von Wien nach Salzburg noch über drei Stunden gefahren ist, manche hab ich beim Zähneputzen in 1030 gefunden (»Giftschipperl«!) und ein paar hat mir die Salzach beim Biertrinken am Elisabeth Kai angeschwemmt.

Dialekt ist ja nie etwas Statisches, das man ganz genau verorten kann (sorry, Sprachwissenschaft). Sicher hört man manchmal, dass ich aus Salzburg bin, aber »dooni« habe ich sicher von einer Freundin aus Oberösterreich übernommen und andere Dinge von anderen Menschen. Es ist immer ein Konglomerat, das ist ja auch das Schöne daran.


Du schreibst nicht nur, aber auch im Dialekt. Wie kam das?

2013 wurde der AnnoDialektDonnerstag gegründet und da ich damals schon viel beim AnnoLiteraturSonntag war, bin ich auf Dialektliteratur abseits von Heimatgstanzln und so aufmerksam geworden. Das hat dann vielleicht ein bisschen passiv in meinem Hirn dahingeköchelt und irgendwann gab es ein Thema, einen Text (»Hoiz hockn«), der unbedingt heraus musste und das im Dia lekt. Es hat einfach nicht anders gepasst. Danach habe ich mich dann mehr mit Dialektliteratur beschäftigt, meine eigenen Vorurteile ihr gegenüber abgebaut und gesehen, wie vielseitig dieses Feld ist.

Die Auseinandersetzung mit Dialekt(en) fand ich schon immer spannend, manchmal auch einfach lustig und oft erzählen Dialektworte sehr viel mit. Und das kann eine als Schriftstellerin ja nur interessieren.

Außerdem gibt es gewisse Ausdrücke im Standarddeutschen schlicht nicht beziehungsweise keine Äquivalente, die genau dasselbe ausdrücken. »Am Oasch gehn«, zum Beispiel, oder »zach« (beides brauche ich sehr viel).


Deine Texte behandeln meist aktuelle Themen und gehen nahe. Wann entscheidest du dich bei einem Text für den Dialekt?

90 Prozent meiner Texte entstehen im Standarddeutschen, bei den restlichen 10 Prozent, die im Dialekt sind, liegt es oft an einer Formulierung, einem Satz, den ich irgendwo gehört oder gedacht habe, der hängen geblieben ist und von dem ausgehend sich ein ganzer Text (oder zumindest eine Textidee) entfaltet. Manchmal liegt es daran, dass das Standarddeutsche das Vokabular einfach nicht hergibt (wie bei den Beispielen oben), manchmal daran, dass sich eine gewisse Stimmung in meinen Augen besser im Dialekt erzeugen lässt.


Du arbeitest nun schon seit einigen Jahren in der Morgenschtean-Redaktion mit und bist dort unter anderem für die Textauswahl zuständig. Welche Texte sind es, die dich persönlich besonders packen?

Die ohne Pathos, die klug gearbeitet sind. Texte, bei denen man merkt, der*die Schreibende hat seinem*ihrem Text vertraut und muss nichts erklären, sondern lässt den Text die Erzählung tragen. Die Texte, die mit einem feinen Gespür etwas Zwischenmenschliches aufgreifen und die politischen Texte, die ohne plumpe Gemeinplätze auskommen. Und die, wo ich nicht das Gefühl bekomme, der*die Schreibende hat mit Gewalt einen Text zum ausgeschriebenen Thema aus sich herauszwungen oder das Thema im Nachhinein mit einem mittelgut passenden Satz in einen bestehenden Text hineingeworfen, man merkt das ja beim Lesen.


Liest du privat auch viel Dialektliteratur?

Tatsächlich lese ich weniger, aber höre Musik im Dia lekt. Eine Band, ohne die ich nicht mehr kann, ist

Dritte Hand. Es gibt keinen Song, der mich da nicht zuawi fongd, durchbeidld und bessa wieda außalossd. Das kann ich zum Duschen, zum Tanzen, zum Zugfahren, zu allem hören.

Wenn ich mal wieder richtig weinen will, höre ich »zehna« von SarahBernhardt (es gibt aber auch genügend Songs ohne Tränenfunktion, außerdem ist das recht subjektiv, will nur dazu gesagt sein). Wenn ich breit grinsen will, höre ich die Gesangskapelle Hermann.

Literarisch hänge ich an den Texten von Christine Nöstlinger. Und an denen von Redaktionsmitglied Anna Stiegler.


Du engagierst dich in den Redaktionen von Literaturzeitschriften (neben dem Morgenschtean auch bei &Radieschen), auch leitest du diverse Schreibwerkstätten. Sprich: Es ist dir ein Anliegen, neue, noch nicht so bekannte Autor:innen zu fördern. Wie hast du diese Leidenschaft entdeckt und warum ist dir das so wichtig?

Im Grunde ist es recht einfach: Wir fangen alle irgendwo an. Niemand schreibt einen ersten Text und wird groß veröffentlicht. Aber diese ersten Veröffentlichungen und Lesungen geben Zuspruch und ein erstes literarisches Selbstvertrauen.

Würde ich meinen ersten Text, der damals 2012 oder 2013 in & Radieschen erschienen ist, nochmal so schreiben oder veröffentlichen? Nein, sicher nicht. Und das ist völlig okay und gut so, es ist ja schließlich Zeit und Arbeit an meinem Schreiben vergangen. Aber diese Veröffentlichung war wichtig, genau wie meine erste Einzellesung im Café Anno.

Deshalb ist mir auch die Arbeit beim AnnoLiteraturSonntag so wichtig. Ganz viele Schriftsteller*innen machen bei & Radieschen oder im Café Anno ihre ersten Gehversuche. Es muss nicht perfekt sein, man kann sich ausprobieren. Es ist ein wertschätzender Rahmen und die niederschwellige Möglichkeit auf eine abendfüllende Einzellesung.

Und bei den Schreibwerkstätten ist es mir vor allem wichtig, Literatur und Schreiben als ein Gespräch zu vermitteln, als etwas Dynamisches, das wachsen kann. Ich sage immer, jede Person kann schreiben, man muss halt nur dazu finden, was man wie schreiben will und bereit sein, an Texten zu arbeiten.


Dieser Artikel erschien auch in der >Gratisbeilage zum aktuellen Morgenschtean (U78-79/ Nov. 2023)






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Morgenschtean – Die Österreichische Dialektzeitschrit

Hg von: Ö.D.A. – Österreichische Dialektautor:innen

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